Schützengesellschaft Börnste e. V.  1751

Museum

Bericht des Münster´schen Anzeigers vom 20. Juni 1935

 

 

1935
 

 

Dülmener Schützenfest nach alter Sitte

Wie die Börnster Bauern nach altem Brauchtum ihr Schützenfest feiern

Text: August Hollweg

Fotos: Cl. Hülsbusch

Es ist kein Tag im Jahr, an dem der Bauer sagen könnte: „Vondage is nicks to dohn!" Von ihm fordert jeder Tag im Frühling, Sommer, Herbst und selbst im Winter sein hartes Werk. Die Arbeit ist gewiß nicht immer gleich schwer und dringend, aber Hof und Feld und Wald lassen ihm keinen Tag Zeit, einmal ganz auszuspannen und Ferien zu machen. Und wenn sonst nichts wäre, dann ist doch das liebe Vieh im Stall, das gefüttert und gepflegt sein will und muß. In der Zeit „so tüsken Saien und Maihen" drängt die Arbeit nicht so sehr, da findet auch der Bauer Zeit zu frohem Fest, bei dem er mit Frau und Kindern, Knechten und Mädchen, mit allen Nachbarn und mit dem ganzen Dorf zusammenkommt. Bauernfeste sind immer Feste bester bodenständiger Gemeinschaft gewesen.

In die Zeit „tüsken Saien und Maihen" fallen auch die meisten Bauernschützenfeste, die in manchen Orten und Bauerschaften bis auf den heutigen Tag ihre alte deftige und gute Art bewahrt haben. So urwüchsig zwar, wie Meister Wagenfeld das altwestfälische Schützenfest in seinem bekannten plattdeutschen Bühnenspiel schildert, trifft man auch auf dem Lande das Schützenfest kaum noch an, insbesondere vermisst man vielfach bei der jüngeren Generation unsere lieben, schwungvollen und sinnigen alten Bauerntänze. Zur Freude aller Heimatfreunde aber darf man sagen, daß sich heute allerorts schon wieder starke Ansätze zu einer Belebung dieser schönen alten Tänze zeigen.

Vorne das neue Königspaar Bernhard Uhlending und Johanna Hörsting, dahinter das alte Königspaar Heinrich und Maria Potthoff. Meldet euch bitte, wenn ihr noch weitere Personen wiedererkennt, alte Fotos besitzt, Berichte ergänzen könnt .......

Ein gutes Bauernschützenfest, das in vielem noch seine alte, deftige Art behalten hat, ist das Schützenfest der Bauerschaft Börnste bei Dülmen. Es wird nach altem Brauch alljährlich am Donnerstag nach Pfingsten abgehalten, wenn nicht besondere Umstände eine Verlegung notwendig machen. In diesem Jahre hatten wir zu drei Freunden das Glück, als Gäste zum Börnster Schützenfest geladen zu werden. Wir haben bei alt und jung freundlichste Aufnahme gefunden und sind den Börnstern von Herzen dankbar dafür.

In Börnste weiß niemand mehr, wie alt das Schützenfest dort eigentlich ist. Das Alter des Festes läßt sich heute auch nicht mehr feststellen. Vor einigen Jahren erst hat man die alte Überlieferung schriftlich niedergelegt, damit sie nicht verloren gehe und damit das Fest auch für alle Zukunft seine alte Art behalte. In diesen Satzungen der Börnster Schützengesellschaft heißt es u.a.:

„Der Schützenverein Börnste hat den Zweck, nach althergebrachter Weise das Schützenfest zu feiern, Heimatgedanken, Gemeinschaftssinn und Kameradschaft innerhalb der Bauerschaft zu pflegen . . .

Mitglied des Schützenvereins ist jeder männliche Bewohner der Bauerschaft Börnste, sobald er das 18. Lebensjahr erreicht und seinen ständigen Wohnsitz in Börnste hat. . . Der Vorstand trifft zusammen mit dem Schützenkönig alle Anordnungen, die die Feier des Schützenfestes in althergebrachter Weise gewährleisten . . . Durch Abgabe des Königsschusses verpflichtet sich der Schütze, im nächsten Jahre auf seinem Hofe das Schützenfest zu feiern. Der Verein verpflichtet sich, den König tunlichst zu unterstützen und soweit wie eben möglich dafür zu sorgen, daß der Betreffende nicht nur schadlos bleibt, sondern einen angemessenen Gewinn für seine Mühe und Arbeiten erhält. Sollte ein Mitglied des Vereins den Königsschuß abgeben, jedoch nicht bereit sein, die Königswürde anzunehmen, so hat er an den Verein eine Strafe von 50 Mark zu zahlen und außerdem dafür zu sorgen, daß innerhalb zwei Stunden wieder ein Vogel auf der Stange ist und das Schießen wieder beginnen kann . . . Will ein Auswärtiger, hier in Dienst Stehender (Knecht usw.) den Königsschuß abgeben, so hat er die ehrenwörtliche Versicherung abzugeben, daß er sich im nächsten Jahre noch in demselben Dienst befindet. Er hat ferner die Genehmigung seines Dienstherrn beizubringen, daß auf dessen Hof im nächsten Jahre das Schützenfest abgehalten werden kann. Der Dienstherr hat sich ferner zu verpflichten, auch dann das Fest abzuhalten, wenn der Betreffende sich nicht mehr bei ihm im Dienst befindet. Hier in Miete Wohnende haben die Genehmigung des Haus-eigentümers vorzulegen, sofern diese (die Genehmigung zum Feiern auf dem Hofe) irgendwo zweifelhaft erscheint. . . Jedes Mitglied verpflichtet sich, durch ordentliches und anständiges Betragen das Ansehen des Festes in jeder Weise zu heben, Zank und Streit zu meiden… Jedes Mitglied soll es sich angelegen sein lassen, nicht durch übermäßigen Alkoholgenuss oder sonstige, gegen Anstand und gute Sitte verstoßende Handlungen sich selbst und anderen die Freude zu verderben und das Ansehen des Festes zu schädigen..." Die ältesten Leute von Börnste wissen nicht anders, als daß das Fest alle Zeit so gefeiert worden ist wie heute, und wie es in den Satzungen jetzt schriftlich niedergelegt ist. „Men bloß de schönen aollen Dänße maket se nich mähr so vull äs fröher", meinte ein altes greises Mütterchen, das neben uns auf der Schützenwiese saß und noch sehr interessiert dem Vogelschießen zusah.

Die Vorbereitungen für das Bömster Schützenfest beginnen schon viele Tage vorher. König und Königin schicken, wie es bei den Bauernhochzeiten noch heute üblich ist, einen Gästebitter von Haus zu Haus, der überall artig und manierlich des Königspaars Einladung vorträgt.

Im Jahre 1934 ist der Bauer Heinrich Potthoff König geworden. Er hat also nach alter Überlieferung in diesem Jahre das Schützenfest auf seinem Hofe abzuhalten. Potthoff ist auch schon 25 Jahre vorher, also im Jahre 1909, Schützenkönig gewesen und feierte so auch das silberne Jubiläum seines ersten Königsschusses. Nach alter Sitte hatte er alle seine Verwandten zu dem Fest eingeladen, die zum Teil recht weite Reisen nach Börnste gemacht haben. Selbst einige lustige Kölner hatten sich eingestellt. Wie es in vielen Schützengilden auf dem Lande und in den Städten noch üblich ist, findet auch für Börnste am Morgen des Festtages ein Seelenamt für die gefallenen und verstorbenen Schützen der Bauerschaft statt, an dem alle Bauerschaftsbewohner teilnehmen, die eben abkommen können.

Nach dieser würdigen Einstimmung begann gegen Mittag das Schützenfest. Auf Potthoffs Hof waren zwei „Sunnenhüser", wie die Börnster die Zelte nennen, aufgebaut, und auch die Diele war noch durch ein „Sonnenhaus" verlängert worden, in dem die Familie des Schützenkönigs Potthoff mit den Verwandten und allen, die ihm beim Aufbau der „Sonnenhäuser" und den Vorbereitungen des Festes geholfen hatten, gut und kräftig zu Mittag aßen. Kurz vor 1 Uhr wurde es auf Potthoffs Hof lebendig; denn „een Uhr geiht dat Scheiten an ". Da sammelten sich die Schützen, erst die jungen, und dann kamen sinniger und bedächtiger die älteren. Allen aber lachte die Festesfreude aus den Augen in Erwartung der frohen Stunden. In dem geräumigen Tanzzelt traten die Schützen an und marschierten in guter Ordnung zur Vogelstange, die schon am Abend vorher auf Potthoffs Wiese dicht beim Hofe aufgestellt worden war. Voraus zogen die Musikanten, hinter ihnen König Potthoff und seine Frau, die Königin, mit allen Zeichen ihrer Königswürde angetan. Alten Brauch getreu hielt der Zug vor der Vogelstange zu einem kurzen Gebet, in dem Gottes Schutz für das Schießen angerufen wird. Dann löste sich der Zug auf, und die Schützen traten zu der „Generalversammlung unter der Vogelstange" zusammen. Einer von ihnen verlas die Satzungen und Bestimmungen für das Fest, und nachdem die Namen der Schützen eingetragen waren, begann das spannende Schießen um die Königswürde. Den ersten Schuß hat immer der alte König.

In luftiger Höhe thronte stolz der hölzerne Vogel auf seiner Stange. Mit einem Kranz aus Fichtengrün und bunten Blumen war er geschmückt. Am Stand drängten sich die Schützen.

Auf Bänken und Stühlen dahinter saßen die Festgäste und die Frauen, die jeden Schuß und seine Wirkung beobachteten. Im weichen Grase aber tummelten sich die Kinder. Die größeren Buben aber standen da und urteilten schon wie sachverständige Schützen. Ein kleines Bennätzken meinte: „Du, Giärd, so füfftig Kuegeln kann he nao wull vedriägen!" Und Giärdken: „De Flittken fleigt em bolle aff. Kiek äs, wat Eppen Natz vondage drupp häöllt!" Und nicht nur Eppen Natz, alle schossen gut.

Schuß auf Schuß petschte in den Vogelleib. Über 300 Schuß hatten den Vogel übel zugerichtet. Zepter und Apfel, Flügel und Kopf hatte er schon verloren, nur. der breit gespreizte Schwanz zierte noch sein Hinterstück. Die Brust war ihm jämmerlich zerrissen. Er wackelte bei jedem Schuß vorne-und hintenüber, und schließlich beim 367. Schuß purzelten die letzten Reste des Vogels unter lautem Halloh von der Stange. „Häbb ick et nich säggt, Eppen Natz hät'n draffschuoten", stieß Giärdken seinen Spielkameraden an. Richtig, Natz Uhlending gt. Eppen, hatte die letzten Reste des Schützenvogels von der Stange geknallt und wurde nun mit lautem Jubel als König gefeiert. Von allen Seiten streckten sich ihm die Hände zu herzlicher Gratulation entgegen. Wir Gäste waren auch unter den Gratulanten. „Wu föhls du di dann nu äs Küenink, Natz?" - „Karl, ick sin doch wat upgeregt. Min Hiärt klabastert äs'n Füllen up'n Kamp!" - Königin wurde Hörstings Johanna. „Een stäödig Wicht met so nette friske Aigeskes, so raude Bäckskes und met so'nem strankielem Gank! Laot den Natz men laupen, de wet wull, wat em gefäöllt!" Die beiden, Natz Uhlending und Johanna Hörsting, wurden unter vielseitiger Teilnahme vom alten Königspaar mit allen Zeichen ihrer neuen Würde ausgestattet. Neben der Schützenkette trägt der König in Börnste am Hut eine tellergroße Rosette, deren Farben alljährlich verschieden sind, und die in der Mitte einen kleinen blanken Spiegel zeigt.

Der Zug ordnete sich zum Rückmarsch.

Beim Eingang in das Sonnenhaus wurden die beiden Königspaare mit einem sinnigen Huldigungsspruch und einem Trank von einer jungen Maid begrüßt. Das neue und das alte Königspaar und der Vorstand der Gesellschaft haben allein das Recht, den ersten Tanz zu tun, den man den Königstanz nennt. „Es ist alte Sitte", so heißt es in den Satzungen,   „daß drei Tänze (als Königstanz) stattfinden, während welchen die Königspaare umwechseln." Alle übrigen schauen diesem Tanze zu.

Nach diesem Königstanz hob im Zelt ein lustiges Leben an. Die Musik spielte immerzu zum Tanz auf, und nebenan saßen an langen Tischen und auf rohen Bänken alle Leute von Börnste beisammen in wahrhafter Gemeinschaft und Kameradschaft.

In der Küche duftete es appetitlich nach frischer Bratwurst und Töttkespott. Im Sonnenhaus vor der Diele aber saßen die alten und jungen Skatspieler. Gegen Abend kamen noch die letzten Leute der Bauerschaft, die nachmittags der Arbeit wegen nicht abkommen konnten, und auch aus den Nachbarbauerschaften und aus Dülmen stellten sich Festfreunde ein. Wie lange das Fest an diesem Abend gedauert hat, wissen wir, meine Freunde und ich, nicht. Die Nacht über aber, als der schwere Gewitterregen an die Scheiben trommelte, habe ich noch lange vom Bömster Schützenfest geträumt und gewünscht, alle Schützenfeste in Stadt und Land möchten wieder so werden.

 

 

 

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